Eine Frau zehrt an den Haaren eines Mannes.

Als die Frauen zu den Waffen griffen

Sagen & Geschichten

Die Geschichte der Stadt Lübeck ist geprägt von vielen Höhen und Tiefen, aber eine der denkwürdigsten und tragischsten Episoden ist zweifellos die blutige Schlacht gegen die heidnischen Wenden im Jahr 1147. Graf Adolf II. von Schauenburg hatte die Stadt nach ihrer Zerstörung wieder aufgebaut und Frieden mit den Wenden geschlossen, darunter Herr Niklot von Meklenburg, mit dem er sogar ein Bündnis einging.

Doch das Schicksal nahm eine düstere Wendung, als sich alle sächsischen Herren zu einem Kreuzzug gegen die heidnischen Wenden rüsteten. Graf Adolf II. ahnte nicht, dass sein Bündnispartner Niklot in Bedrängnis geraten war und Hilfe suchte, die jedoch nicht rechtzeitig kam. In einem Rachefeldzug überfiel Niklot mit seinen Streitkräften die aufblühende Stadt Lübeck, während die Bewohner gerade vom Johannistrunk berauscht waren und im Taumel der Feierlichkeiten lagen.

Die Burgleute, die das Unheil herannahen sahen, versuchten verzweifelt, das Volk zur Rettung aufzurufen, doch vergeblich – das Volk war nicht zu bewegen. Die Wenden plünderten und brannten alle Schiffe und töteten mehr als 300 Männer. Die Überlebenden, darunter Frauen und Kinder, flüchteten gerade noch rechtzeitig in die feste Burg, die von den Wenden hart belagert wurde. Vergebens hofften die Verteidiger auf Unterstützung aus Holstein.

Die Verbitterung zwischen den Lübschen und Holsten wuchs in der Folgezeit. Doch die Lübecker Bürger gaben nicht auf und planten einen verzweifelten Ausfall vor dem Burgtor, um die feindlichen Verschanzungen zu durchbrechen. Die Schlacht war erbittert, es gab viele Opfer auf beiden Seiten, aber die Feinde hielten standhaft durch, und viele Lübecker kehrten mit blutigen Köpfen zurück in die Burg.

Doch dann geschah etwas Unerwartetes: Die Frauen der Stadt, erbost über die Verluste ihrer Männer, griffen zu den Waffen. Bewaffnet mit Spießen, Beilen, Zangen und allem, was sie finden konnten, stürmten sie in einem Anflug von Raserei auf die Feinde los. Die Wenden glaubten, dass eine neue Armee aus der Stadt angreift und verloren ihren Mut. Sie ließen ihr Lager im Stich und flohen eilig auf ihre Schiffe.

Die tapferen Lübecker erbeuteten einen großen Schatz, darunter den Abgott Temiel, eine Statue, die von den Wenden hoch verehrt wurde und aus reinem Gold gegossen war. Was schließlich aus diesem kostbaren goldenen Götzen wurde, ist bis heute ein Rätsel. Die von den Frauen geführte Fahne, die bei der Schlacht eine entscheidende Rolle spielte, wurde bis 1619 in der St. Jakobikirche aufbewahrt. Leider verschwand sie während einer Reinigungsaktion mit Besen und ist seitdem verschollen.

Der Ort, an dem die Frauen ihre heldenhaften Taten vollbrachten, wird bis heute als “de Neilâd” (Nählade) bezeichnet, eine Erinnerung an den mutigen Kampf, der die Geschichte von Lübeck und den Wenden für immer prägte. Diese Schlacht mag in der Vergangenheit liegen, doch ihre Auswirkungen und die Erinnerung an die tapferen Frauen, die für ihre Stadt kämpfen, werden niemals verblassen. Es ist eine Geschichte von Stärke, Mut und Opferbereitschaft – eine Geschichte, die die Menschen auch heute noch inspiriert.

Photo Credits: Ars Femina

Kommentare geschlossen