„Selbstgebaute Flüchtlingsklingel von 1946“ ist die offizielle Beschreibung des Lieblingsstücks von Dr. Bettina Braunmüller. Sie findet: Das unscheinbare Stück aus Holz und Draht passt aus vielen Gründen in ihr Museum in Herrenwyk.
„Die meisten Lübecker Museen liegen auf der Insel und beschäftigen sich mit Hochkultur. Wir sind hier draußen und unser Gebiet ist die Arbeiter- und Industriekultur“, beschreibt Braunmüller ihr Museum, das Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk, das sie vor einem knappen halben Jahr übernommen hat. Die Klingel, selbstgebaut aus einer Zigarrenkiste und viel irgendwo organisiertem Draht, ist auch äußerst prosaisch.
Das Improvisierte, das man der Kiste ansieht, passt auch im übertragenen Sinne zu dem Industriemuseum: Mitte der 80er-Jahre war eine Sonderschau des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte im ehemaligen Laden der Arbeitersiedlung. Auf öffentlichen Druck hin wurde die Ausstellung als eigenes Museum weiterbetrieben, jetzt ist ein Verein hier tätig.
Gerade in ihrem Bezug zur Alltagsgeschichte steht ihr Lieblingsstück für ihr Museum, findet Dr. Bettina Braunmüller.
Vor allem aber passt die Geschichte der Klingel toll zu dem Museum, das die Geschichte der Flenderwerft und des Hochofenwerks mit der Siedlung rundum verknüpft: „Die Klingel gehörte einer Flüchtlingsfamilie aus Danzig, als sie in Lübeck ein Zimmer bewohnte.“ Flüchtlinge waren nicht nur in Herrenwyk nach dem Krieg ein Thema: Fast die ganze Stadt, mutmaßt Braunmüller, hat persönliche Verbindungen zu der Nachkriegsflüchtlingswelle.
Und auch das Persönliche rührt die Volkskundlerin an: „Hier sieht man, wie wichtig den Menschen ihre Privatsphäre ist. Egal, wie schlecht es ihnen ging, als erstes hängten sie in ihren Nissenhütten Bettlaken als Raumtrenner auf.“ Oder sie installieren eine Klingel, dass niemand ins Zimmer platzt.
Photo Credits: ppe
Adresse: Kokerstraße 1-3, 23569 Lübeck
Website: geschichtswerkstatt-herrenwyk.de
Facebook: indusriemuseumluebeck
