SCREAM VI
Eigentlich wollte ich diese Woche wieder einen Heimkinotipp für Euch vorbereiten. Doch da seit gestern Ghostface erneut sein Unwesen in den Kinos treibt und gute Chancen hat, die Pole Position der Kinocharts, trotz Erwachsenenfreigabe, zu erklimmen, wird´s auch diesmal wieder aktuell in meiner Kolumne.
Gerade einmal ein Jahr ist es her, dass die Teenager aus Woodsboro den beiden maskierten Killern mit der Edvard Munch Maske entkommen sind. Um die schrecklichen Ereignisse und Verluste endgültig hinter sich zu lassen, sind Sam Carpenter (Melissa Barrera) und ihre Schwester Tara (Jenna Ortega) nach New York umgesattelt. Ihre beiden, ebenfalls den Tätern entkommenen, Freunde, die Geschwister Chad (Mason Gooding) und Mindy Meeks-Martin (Jasmin Savoy Brown) taten es ihnen gleich. Doch, wie das ewige Final Girl Sidney Prescott (diesmal durch Abwesenheit glänzend) ihnen prophezeite: Man kann dem Bösen nicht davonlaufen. Und so beginnt das Morden plötzlich in ihrem Umfeld erneut.
Mehr Geschichte braucht es nicht, um den Gänsehautfan zu unterhalten. Natürlich gibt es noch diverse neue Charaktere, die als potenzielle Opfer oder auch Täter in Frage kommen und natürlich kehrt auch die immer noch karrieregeile Reporterin Gale Weathers (Courteney Cox) zurück, um bei der Enttarnung des oder der Killer behilflich zu sein. Auch Hayden Panettiere als Horrorfilmnerd Kirby Reed aus dem 4.Teil hat ihren Angriff (erstaunlicherweise) überlebt und arbeitet nun für das F.B.I. An ihrer Seite kämpft Dermot Mulrony, der einstige Sunnyboy aus Die Hochzeit meines besten Freundes als Detective Bailey um das Leben der Protagonisten, die quer durch New York um ihr Leben bangen.
Nun ja, unter „quer durch New York“ verstehe ich etwas Anderes als das hier Gebotene. Denn vom Big Apple sehen wir in Scream VI mal so rein gar nichts. Wie auch? Der komplette Film wurde aus Kostengründen in Montreal, Kanada gedreht. Zwar gelingt es den Machern hier und da, ein schmuddeliges Großstadtfeeling zu erzeugen, wenn beispielsweise Ghostface Sam und ihrer Schwester bis in einen Drugstore folgt, wo der Killer, recht ungewohnt, zur Schrotflinte greift. Auch in der U-Bahn ist diesmal niemand sicher. Doch bis auf diese wenigen Momente heißt es Business as usual. Nix Neues, sondern nur der alte, aufgewärmte Brei.
Prinzipiell ist das kein Problem, der Gruselfilmfan ist genügsam, nur vermag es Melissa Barrera als Mainact und Tochter des ursprünglichen Ghostface-Killers Billy Loomis (Skeet Ulrich) nicht, als toughe Widersacherin des oder der Bösewichte zu überzeugen. Glücklicherweise hat sie in den meisten Szenen die durch die Netflix-Serie Wednesday zum Shootingstar gereifte Jenna Ortega an ihrer Seite, die den Karren hier und da aus dem Dreck zieht und Sympathien für ihre Figur erzeugen kann. Das größte Problem von Scream VI ist aber nicht, dass nach gewohntem Muster vorgegangen wird, sondern dass man ikonische Szenen, wie die obligatorische Regelerklärung durch den Horrorfilmnerd unter den Protagonisten, beim sechsten Mal nun wirklich für Augenrollen beim Publikum sorgt. Zumal diese Szene einfach nichts Neues bietet und null innovativ wirkt. Ja, auch im Sequel des Requels (!) ist mal wieder niemand sicher und jeder könnte der Täter sein. Das war schon immer so, wird dem Zuschauer aber als innovativer Drehbuchkniff verkauft. Überhaupt nervt das ganze Franchisegequatsche von Randy-Ersatz Mindy, der ich nach kurzer Zeit bereits einen frühen Leinwandtod gewünscht habe.
Neu ist allerdings, damit werben die Macher, dass dieses der blutigste Ausflug der Reihe sein soll. Und tatsächlich, die FSK-Freigabe bestätigt dies, es geht blutiger als gewohnt zu. Allerdings sollte man jetzt kein goriges Massaker erwarten. Vielmehr wird nun nicht mehr zwei- oder dreimal zugestochen, sondern gleich zwanzigmal.
Leider war es das dann auch schon mit den Neuerungen. Manchmal reicht halt auch das Alte, sonst wäre auch Marvel seit Jahren nicht so erfolgreich und dem Gruselfan reicht eine spannende Mörderhatz, um unterhalten zu werden. Und szenenweise bekommt man diese auch geboten. Hier und da wird’s zum Nägelkauen spannend (Stichwort: Leiter), doch über weite Strecken ist es einem leider auch schlichtweg egal, wer als nächstes ins Gras beißt. Die Auflösung des Ganzen ist dann die größte Farce, kommt sie doch weniger überraschend als gedacht und beinhaltet gnadenloses Overacting, dass den Schocker zur Komödie reifen lässt.
Missing ist sowohl spannend als auch traurig und manchmal sogar lustig und entführt den Zuschauer auf eine Reise, die mit unerwarteten Wendungen aufwartet. Es ist einer dieser Filme, bei denen man beim Einsetzen des Abspanns versucht ist, gleich nochmal eine Karte zu lösen, um sich erneut in die Geschichte fallen zu lassen.
Derzeit könnt Ihr den mit einer Freigabe ab 12 Jahren versehenen Film noch im Kino anschauen, er dürfte aber, aufgrund der vielen anstehenden Neustarts, demnächst das Feld räumen.
Ich als Fan der früheren Scream-Filme hätte es nie geglaubt, aber auch ich bin an dem Punkt angelangt, wo ich sage: Legt mal wieder ´ne kleine Pause ein, um neue Ideen zu sammeln. Zwei Filme in kürzester Zeit waren jetzt erstmal genug. Doch diesen frommen Wunsch werden die Produzenten ignorieren, denn angeblich ist ein siebter Teil bereits beschlossene Sache.
Scream VI ist kein Totalausfall, dafür ist die Nummer handwerklich noch immer solide genug und der ein oder andere Schock sitzt auch. Insgesamt aber ein schwächerer Vertreter des „Franchise“.
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