Till Eulenspiegel und sein Treiben in Lübeck

Verschiedene Quellen berichten, dass das umherziehende Leben Till Eulenspiegel eines Tages in die alte Hansestadt führte, da er den Wunsch hegte, in einem Ort mit strengem Recht redlich zu bleiben. Zu dieser Zeit arbeitete im Ratskeller ein stolzer und hochmütiger Weinzapfer, der von den Menschen gefürchtet wurde und behauptete, niemand sei klüger als er.

Till Eulenspiegel konnte diese Behauptung nicht auf sich sitzen lassen. Bewaffnet mit zwei Kannen – eine mit Wasser gefüllt, die andere leer – begab er sich in den Keller. Dort verlangte er nach Wein, verbarg das Weingefäß unter seinem Rock und hielt die Wasserkanne offen. Nachdem der Weinzapfer den Preis von zehn Pfennigen genannt hatte, erklärte Till, er besitze nur sechs. In Zorn goss der Weinzapfer das Wasser zurück, in dem Glauben, es sei der Wein. Till spottete ein wenig über seinen Widersacher und verließ den Ratskeller mit dem kostbaren Nass unter seinem Rock.

Um ein Haar wurde dieser Streich sein letzter. Der verärgerte Weinzapfer, unterstützt von einem Stadtwächter, verfolgte Till und entdeckte die Weinkanne bei ihm. Till wurde des Diebstahls beschuldigt und zum Tode durch Erhängen verurteilt. Auf dem Weg zum Galgen vor der Stadt sann Till auf einen Ausweg und bat um einen letzten Wunsch. Dieser bestand darin, dass der Weinzapfer und der Henker ihm nach der Hinrichtung den nackten Hintern küssen sollten. Empört gewährten die Ratsherren seinen Wunsch und begnadigten den schlauen Eulenspiegel, der daraufhin Lübeck verließ und nicht mehr gesehen wurde.