Der „Seifenblasenengel“ ist das Lieblingsstück von Margrit Wegner. Der barocke Putto mit dem ungewöhnlichen Attribut gehört zur Zier einer der Grabkapellen des Doms zu Lübeck. Und lange, bevor Margrit Wegner Pastorin am Dom wurde, hat sie den Engel kennengelernt und zeigt ihn Gästen – besonders Kindern – immer wieder gern. Er steht für sie für eine besondere Sicht auf das Leben.
„Die Seifenblasen, die der Engel bläst, sind wie das Leben“, sagt Margrit Wegner. „Sie sind bunt, schillernd und einzigartig – und können plötzlich zu Ende sein.“ Wenn sie Gäste durch den Dom führt – oft Zufallsbesucher, bei deren Kindern sie einen leicht gequälten Gesichtsausdruck sieht – dann ist der Engel eine wichtige Station. „Kinder verstehen das sofort, bei Erwachsenen muss ich da mehr erzählen.“ Dafür sind die anderen Vanitas-Symbole, die die barocken Putten als Sinnbilder für Leben und Tod zeigen, eher unverständlich: „Wer kennt heute noch Sensen oder eine Sanduhr – außer beim Zähneputzen? Und der Totenschädel ist eher faszinierend und gruselig.“ Der Seifenblasenengel dagegen ist „richtig heiter“.
Selbstvergessen sitzt der Engel auf der Fassade der Von-Bassewitz-Kapelle und spielt mit Seifenblasen. Er gehört zu den heimlichen Stars des an Kunstwerken reichen Doms und ist der Liebling vieler Besucher.
Nach ihrem ersten theologischen Examen war die gebürtge Hamburgerin zu einem Konzert im Dom – „ich kann also mit Datum und Uhrzeit sagen, wann ich mich in den Raum verliebt habe“. Den Engel hat sie später kennengelernt, da war sie junge Pastorin an der St.-Jürgen-Gemeinde und der damalige Dompastor ihr Mentor. „Es gibt, glaube ich, keine vergleichbare Statue.“ Der verspielte Barock des Engels, hinter dessen heiterer Fassade sich tiefe Philosophie verbirgt, hat sie schon als Schülerin fasziniert. Wer die Fassade der Grabkapelle und damit den Engel geschaffen hat, weiß sie gar nicht: „Ich hab ihn immer so genommen, wie er ist.“
„Das Schönste am Dom ist eigentlich das Licht. Aber das kann ich ja nicht als Lieblingsstück nehmen“, findet Dompastorin Margrit Wegner.
Als sie vor fast zehn Jahren Pastorin am Dom wurde – „als erste Frau in über 800 Jahren!“, wie sie stolz anmerkt – traf Wegner den Engel wieder. Von ihrem Platz bei den Gottesdiensten schaut sie zwar in seine Richtung. „Aber ich seh vor allem die anderen Engel in den Stühlen davor – da sitzen nämlich oft viele Familien.“ Die sind ein wichtiger Teil der Gemeindearbeit. Und in den Kindern findet sie die Unbeschwertheit des Seifenblasenengels wieder.
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