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Chrischis Filmtipp zum Wochenende

„Hard Target – Harte Ziele“ von Kultregisseur John Woo

Diese Woche kehrt eine Actionlegende ins Kino zurück. Die Rede ist von Kultregisseur John Woo, der sich mit seinen ballettartigen Bleiopern „Hard Boiled“ und „The Killer“ einst eine Eintrittskarte nach Hollywood erarbeitete. Dort schuf er Actionbretter wie „Face/Off“ und „Mission: Impossible 2“, ehe es ruhig um ihn wurde. Sein Comeback, der weihnachtliche Rachethriller „Silent Night“, startete jedoch so mies in den USA, dass der Film es nicht in unser Lübecker Kino geschafft hat. Deshalb gibt es heute einen Zeitsprung, zurück an den Eröffnungstag unseres Lübecker Multiplex-Kinos. Damals, im Dezember 1993, als das Kino noch „Stadthalle“ hieß, lief John Woos Hollywooddebüt „Hard Target – Harte Ziele“ im brandneuen Kino 5 mit sattem Dolby Digital-Sound. Ich bin alt – ich war dabei.

Mitten in New Orleans veranstaltet der cholerische Fiesling Emil Fouchon (Lance Henriksen) Menschenjagdspiele für gelangweilte Gutsituierte. Die Opfer sind Obdachlose, da diese (normalerweise) nicht vermisst werden. Doch die Situation ändert sich, als die junge, gut betuchte Natasha Binder (Yancy Butler) in der Stadt auftaucht, um ihren Vater aufzusuchen, der mittlerweile auf der Straße lebt.

Doch der grüßt, wie wir in der Eröffnungssequenz erfahren, dank Fouchon und seinen Mannen die ewigen Jagdgründe. Davon ahnt Natasha allerdings nichts. Da sie bei der, zu dieser Zeit, streikenden Polizei wenig Hilfe erwarten kann, nimmt der arbeitslose Seebär Chance Boudreaux (Jean-Claude Van Damme) sie unter seine Fittiche. Zwar muss sie diesen bezahlen – immerhin muss er seine Schulden bei der Gewerkschaft abdrücken, um wieder arbeiten zu können – dafür bekommt sie aber auch ein Rundum-Sorglos-Paket, inklusive Fährtensuche und Schutzengel gegen die bösen Buben.

Jean-Claude mit Fettlöckchen-Mähne

Im Klartext bedeutet dies, dass Chance (mit langer Fettlöckchen-Mähne) bedeutsame Blicke in die Welt wirft und sich, in hübsch choreographierter Zeitlupe, zunächst mit Händen und Füßen, später mit allen in News Orleans erhältlichen Automatikwaffen, gegen die Obdachlosenkiller zur Wehr setzt.

Über die Handlung dieses Neunziger Actionrelikts muss man nicht viele Worte verlieren. Diese borgt sich der Film beim bereits 1932 erschienenen „Graf Zaroff – Genie des Bösen“. Aber wen juckt die Handlung, wenn man dafür das Hollywood-Debüt von Heroic Bloodshed-Ikone John Woo vorgesetzt bekommt?

Dieser verabschiedete nach seiner Actionbombe „Hard Boiled“ für fünfzehn Jahre aus der Hongkonger Filmszene und versuchte sein Glück im fernen Hollywood. Damit spaltete er allerdings die Fanlager in zwei Gruppen. Die einen vermissten seinen Hang zur Melodramatik und vor allem die Gewalt aus seinen früheren Werken.  Zugegeben, an die emotionale Wucht eines „Bullet in the Head“ konnte Woo in Hollywood nicht mehr anknüpfen (zurück in Hongkong sollte ihm dies später leider auch nicht mehr gelingen). Stattdessen setzte man hier auf comichafte Charaktere und Elemente, was nicht von ungefähr kam.

Universal Pictures traute dem US-Debütanten, auch mangels damaliger Sprachkenntnisse, die alleinige Regie nämlich nicht zu. Also stellte man ihm Regisseur Sam Raimi („Tanz der Teufel“ / „Spider-Man“) während der Dreharbeiten zur Seite, dessen Einfluss man in diversen Szenen zu spüren bekommt. So verfolgt die Kamera immer wieder den Flug von Pfeilen im Close-up, ein Stilmittel, welches der Regisseur häufig nutzte. So durfte Fanlager Nummer zwei, also jene Zuschauer, denen kurzweilige Action wichtiger war als Tragödie, jubeln.

Comichafter Spaß garantiert

Leider musste der Film einst ganze sieben Mal der MPAA, der amerikanischen FSK-Variante, vorgelegt werden, ehe diese ihr okay für ein R-Rating gaben. Heute hätte der Film sicherlich keine Zensurprobleme mehr gehabt. Bevor jedoch die MPAA ihr Schnittmassaker an „Harte Ziele“ (im Übrigen wohl eine der dümmsten Eindeutschungen aller Zeiten) ausüben konnte, tobte sich Van Damme selbst an Woos erster Schnittfassung aus. Deren Laufzeit betrug beinahe zwei Stunden und bot wesentlich mehr Szenen mit Obergangster Fuchon und seiner rechten Hand van Cleef (Arnold Vosloo), deren gut funktionierende Chemie zwischen den beiden Antagonisten deutlich spürbar ist. Etwas, was man vom Gespann Van Damme/Butler weniger behaupten kann. Doch JCVD stutzte das Auftreten der Gangster gewaltig, da er der Auffassung war, die Leute kämen für einen Van Damme-, nicht Henriksen/Vosloo-Film in die Kinos. Möglicherweise fühlten sich die „Mussels from Brussels“ auch einfach nur an die Wand gespielt.

Doch Schwamm drüber, der Film bot bereits in seiner Kinofassung eine Menge comichaften Spaß, inklusive einer grandiosen Klapperschlangenfalle, die man so noch nicht gesehen hat, einer tollen Motorrad-Zirkusnummer und einem herrlichen Bösewicht-Duo, dass wunderbar hassenswert daherkommt. Und eine sogenannte „Unrated“-Version gibt es mittlerweile auch. Diese verfügt zwar nicht über die geschnittenen Handlungsszenen, serviert uns aber die volle Ration Action.

Dank vieler ironischer Brechungen und einer hervorragenden Choreographie in den Kampfszenen, funktioniert das Ganze heute auch noch hervorragend. Aber auch Lance Henriksen als cholerischer Killer, der in der deutschen Fassung obercool vom damaligen Eastwood-Stammsprecher Klaus Kindler vertont wurde, ist ein Grund, den Film mal wieder zu sichten.

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