Ein Seeatlas in zwei Bänden ist das Lieblingsstück von Bernd Hatscher. Der ehemalige Leiter der Lübecker Stadtbibliothek sieht in diesen großformatigen Bänden eine Menge Geschichte, Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft vereint. Und das verbindet den Seeatlas auch mit “seiner” Bibliothek: Auch die vereint viele Funktionen und Traditionen in sich. Und sie ist auch selbst ein Stück Geschichte.
“De groote nieuwe vermeerderde Zee-Atlas ofte Water-Waereld…” Johannes van Keulen, ein Amsterdamer Kartograph vereinte im 17. Jahrhundert in seinem Werk das nautische Wissen seiner Zeit: Damals wichtig für den Kapitän eines Schiffes, heute unschätzbar für die Wissenschaft.
Die Gleichzeitigkeit von Historie und Moderne liebt der Leiter auch an seines Hauses: Sie vereint Traditionen einer Staatsbibliothek, einer wissenschaftlichen, historischen und öffentlichen Bibliothek – “und so einen Umfang findet man bei einer kommunalen Bibliothek selten.” Immerhin war Lübeck in früheren Zeiten ein Zentrum der Buchproduktion. Er liebt dieses Spannungsfeld: Da sind die nüchternen Siebziger-Jahre-Gebäude genau wie die historischen Lesesäle, der Mantels- und Scharbausaal und Bücher aus fast 1 000 Jahren Buchproduktion – “hier ist ganz Europa versammelt.”
Bis zum Ausgang des Mittelalters war die Navigation eine Sache von viel Erfahrung – halbwegs genaue Seekarten gab es kaum. Diese kamen mit Beginn des Amerikahandels auf und besonders die Niederländer taten sich dabei hervor. “Amsterdam war damals der Nabel der seefahrenden Welt” beschreibt Hatscher. Und Johannes van Keulen fertigte von allen bekannten Küsten möglichst detaillierte Karten an – inklusive Tiefenlotungen vor Häfen und Ansichten der Küstenlinien: “Diese Karten vereinen Wissen, Kunst und Wirtschaft in sich.” Gleichzeitig bewundert Hatscher den Schritt vom Mittelalter zur Neuzeit: Darstellungen von Seeungeheuern stehen hier neben Entfernungstabellen.
Neben Seekarten finden sich Flaggen seefahrender Nationen, Ansichten von Schiffen und vor allem Küstenansichten – die waren zur Navigation wichtig.
Der Seeatlas, das Lieblingsstück von Bernd Hatscher, gehört zum so genannten “offenen Altbestand”: Er ist jedermann zugänglich. Man sollte es natürlich vorher anmelden, aber im Prinzip dürfen alle Menschen auch die anderen Bücher ansehen, die die Bibliothek in 400 Jahren erworben oder aus Erbschaften und Stiftungen bekommen hat, die sich hauptsächlich mit Theologie, Geschichte und Juristerei beschäftigen. “Wir haben wunderbare Schätze hier. Der Seeatlas ist da ein Exot. Aber unsere heutige Wissenschaft wäre ohne so ein Stück nicht denkbar.”
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