Film

Chrischis Filmtipp zum Wochenende

THE FAREWELL

Der Tod ist ein schwieriges Thema. Doch keine Sorge, die chinesische Dramödie THE FAREWELL, die ich Euch diese Woche ans Herz legen möchte, behandelt das Thema behutsam und bietet uns ein Wechselbad aus Humor und Traurigkeit. Vor allem aber wirft der Film eine interessante Frage auf: Wenn man unheilbar krank seinem Ende entgegen geht, ist es besser zu wissen, dass die Reise bald vorbei ist oder möchte man lieber unbekümmert seine restlichen Tage verbringen? Nach diesem Film wird man sich selbst diese Frage unweigerlich stellen.

Billi (Awkwafina) versteht sich blendend mit ihrer Großmutter Nai Nai (Zhao Shuzhen), obwohl diese in China lebt, während Billi mit ihren Eltern und Geschwistern in die USA ausgewandert ist. Trotzdem telefonieren die beiden regelmäßig miteinander. Nai Nai scheint dabei die Einzige zu sein, die ihre Enkelin wirklich versteht. Das Verhältnis zu ihren Eltern hingegen ist schwierig. Weder ihr mit seiner Alkoholsucht kämpfender Vater Haiyan (Tzi Ma), noch ihre Mutter Lu Jian (Diana Lin), finden Verständnis für das, zwischen der östlichen- und westlichen Kultur, orientierungslos umher schlingernde Mädchen. Ein früher Dialog zwischen Billi und ihrer Mutter zeigt, wie wenig die junge Dame ernst genommen wird. So fragt die in der Küche arbeitende Lu Jian, wie viele Wan Tan ihre Tochter zum Abendessen haben möchte. Als diese mit “5” antwortet, meint die Mutter, dass dies zu wenig sei. Als sie dann mit “Na gut, dann 12.” antwortet, bekommt sie ein “10 reichen aus.” von Mama. Thema erledigt.

Aus China gibt es derweil schlechte Nachrichten. Nai Nai ist, trotz gesunder Lebensweise, unheilbar an Lungenkrebs erkrankt. Die Ärzte geben ihr nur noch wenige Monate. Doch Nai Nai weiß davon nichts, denn die Diagnose wird Billis Großtante Little Nai Nai (Hong Lu) vom Arzt übermittelt. Diese entscheidet, dass zwar die Familie in Kenntnis gesetzt wird, die betroffene Nai Nai jedoch im Unklaren bleiben soll. Dies ist nicht unüblich in China, man möchte damit ermöglichen, dass der/die Kranke sorgenfrei und ohne ständige Angst vor dem Tode die noch verbleibende Zeit verbringen kann.

Reise nach China

Damit die Familie sich aber trotzdem von Nai Nai verabschieden kann, behaupten die Angehörigen, dass der nach Japan ausgewanderte Hao Hao (Han Chen), ein Enkel Nai Nais, seine Verlobte, mit der er allerdings erst ein viertel Jahr liiert ist, zu ehelichen plant. Hierfür reist die komplette Familie nach China, um dieses Ereignis als großes Fest zu feiern. Dass es sich tatsächlich um eine Abschiedsfeier handelt, ahnt Nai Nai nicht.

Billis Eltern derweil entscheiden, dass ihre Tochter auf keinen Fall die gemeinsame Reise mit antreten soll, da sie ihre Gefühle nicht verbergen könne und die alte Dame deshalb Verdacht schöpfen würde. Doch das junge Mädchen lässt sich den untersagten Abschied nicht vorschreiben und reist auf eigene Faust kurzerhand nach. Sehr zur Freude Nai Nais und zum Ärger der Eltern. Billi kann zwar nur schwer ihre Traurigkeit vor ihrer Großmutter verstecken, gibt sich jedoch alle Mühe, obwohl sie fest davon überzeugt ist, ihre Oma müsse die Wahrheit erfahren. Diese strotzt derweil, trotz der schweren Erkrankung, vor Leben und stürzt sich in die Hochzeitsvorbereitungen…

Auch wenn das Thema Tod bei den meisten Menschen ein Tabuthema ist, gelingt Regisseurin und Drehbuchautorin Lulu Wang die Gradwanderung zwischen Humor und Tragik, ohne dabei in Kitsch zu verfallen. Die Frage nach dem Umgang mit dem drohenden Ende stellt sich hier nicht nur Hauptfigur Billi, sondern auch der Zuschauer und dass auch noch lange nachdem der Abspann über den Bildschirm gerollt ist.

Noch spannender wird es, wenn man erfährt, dass die Geschichte tatsächlich auf persönlichen Erfahrungen der Regisseurin beruht, deren alter Ego natürlich Billi ist. Diese wird von der US-Rapperin und -Schauspielerin Akwafina zum Niederknien gut gespielt.

Auch der Rest vom Cast spielt beeindruckend, vor allem Shuzhen Zhao in der Rolle der lebenslustigen Nai Nai. Man möchte diese Frau einfach durchgehend in den Arm nehmen und drücken, so sympathisch agiert sie. Ihre Filmschwester Little Nai Nai wird übrigens von der echten Schwester Nai Nais, Hong Lu, verkörpert. Beeindruckend, hat sie doch ansonsten keinerlei Filmerfahrung.

„The Farewell“ ist ein kleiner, feiner Film über kulturelle Unterschiede und den Weg zur Selbstfindung. Dabei wird niemals seitens des Drehbuchs Partei ergriffen, was sehr lobenswert ist. Auch Kitsch wird weiträumig umfahren. Wenn man etwas kritisieren möchte, kann man sagen, dass sich so mancher Gag zehn Meilen gegen den Wind bereits wittern lässt. Doch das ist jammern auf hohem Niveau. „The Farewell“ ist einfach tolles Schauspielkino und eine schöne, zu Herzen gehende Geschichte. Basierend auf einer wahren Lüge.

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