FAST X (Fast & Furious 10)
Gerade las ich die Meldung, dass Vin Diesel seinen alten Kumpel Paul Walker per CGI und Body Double im anstehenden Finale der langlebigen Autoraser-Reihe, die einst einen recht bodenständigen Anfang nahm, wieder aufleben lassen möchte. Da der letzte Teil bereits zwei Jahre auf dem Buckel hat und mit einem massiven Cliffhanger endete, fand ich es an der Zeit, Euch „Fast & Furious 10“ aka „Fast 10“ nochmal ins Gedächtnis zurückzuholen.
Nicht erst im kommenden Film, auch hier ist Brian O´Conner (Paul Walker) gleich zu Beginn zurück! In der Eröffnungssequenz sehen wir den Hauptcharakter der ersten „The Fast and the Furious“-Filme back in Action. Um dieses Comeback möglich zu machen, griff man zu einem einfachen Trick: Das Intro von „Fast & Furious 10“ springt einfach zurück ins Jahr 2011, genauer gesagt, in das grandiose Finale des fünften Teils des Franchise, in dem O´Conner und sein Kumpel Dominic Toretto (Vin Diesel) den prall gefüllten Safe von Oberbösewicht Herman Reyes (Joaquim de Almeida) auf spektakuläre Art und Weise stibitzten und dem Fiesling, mit Hilfe von Agent Hobbs (Dwayne Johnson), den Gar ausmachten.
Was wir bislang nicht wussten, ist die Tatsache, dass Fiesling Reyes einen Sohn namens Dante (Jason Momoa) hat, der, so will es uns „Fast and Furious 10“ in nachgedrehten Rückblendemomenten glauben machen, damals schon vor Ort und mitten in der Action dabei war. Dass das vorne und hinten keinen Sinn ergibt, ist den „Drehbuchautoren“ Dan Mazeau („Zorn der Titanen“ / „Van Helsing“) und Justin Lin (schrieb bereits am furchtbaren neunten Teil der Reihe mit) herzlich egal. Apropos Justin Lin: Der inszenierte den guten fünften Teil, den netten sechsten- und eben jenen neunten Teil, bei dem er sich nicht mit Ruhm bekleckerte. Auch bei „Fast and Furious 10“ sollte er Regie führen, doch nach nur einer Woche Drehzeit warf er entnervt, aufgrund von Differenzen mit Hauptdarsteller Vin Diesel und dessen Ego, das Handtuch. Für ihn übernahm Louis Letterrier („The Transporter“) das Regiezepter.
Der Hauptteil des Films beginnt dann ganz harmonisch – mit dem obligatorischen Barbecue im Hause Toretto; diesmal halt nicht am Ende, sondern zu Beginn des Films (am Ende kann dieses ja nicht stattfinden, handelt es sich hier ja nur um einen „halben“ Film ohne Outtro). Diesmal ist auch Oma Toretto zugegen, die von keiner geringeren als „West Side Story“-Star Rita Moreno verkörpert wird. Zur Handlung trägt die alte Dame allerdings nichts weiter bei, sie ist einfach nur da, um zu lächeln und alle ganz herzlich zu umarmen.
Dafür erfahren wir, dass sich Roman (Tyrese Gibson), Tej (Ludacris) und Ramsey (Nathalie Emmanuel) gerade inmitten der Planung für einen riskanten Einsatz in Rom befinden, den sie für die Agency ausführen wollen und sollen, die seit mehreren Filmen ihre Auftraggeber sind (quasi das B-Team). Doch kurz nach ihrer Abreise entpuppt sich jener Auftrag als hinterhältige Falle von Dante, der nun, ein Jahrzehnt später, auf Rache sinnt. Wenn´s mal wieder länger dauert, isst man halt Snickers – und so schaut Jason Momoa hier irgendwie auch aus: Wie ein Schokoriegel-Fan. Die Info über die von ihm gestellte Falle erhalten Dom und Letty (Michelle Rodriguez) ausgerechnet von Erzfeindin Cipher (Charlize Theron), die – nicht unüblich in diesem Franchise – überraschend die Seiten gewechselt hat und nun für das Gute kämpft. Dieses Schicksal teilt sie bereits mit Deckard Shaw (Jason Statham), der später auch nochmal kurz vorbeischauen wird. Und so machen sich Dom, Letty und auch Little Nobody (Scott Eastwood) von der Agency auf, ihre Freunde in Rom zu retten. Derweil übernimmt Schwesterchen Mia (Jordana Brewster) die Obhut über Doms Sohnemann Little Brian (Leo Abelo Perry), der nicht nur den Darsteller, sondern auch die Hautfarbe gewechselt hat – quasi als umgekehrter Michael Jackson. „Who cares?“ scheinen die Macher sich gesagt zu haben. Im nächsten Film ist Little Brian dann vielleicht ein Albino-Mädchen.
In Rom schnappt schließlich die Falle zu und Dante lässt während der von den Torettos in die Wege geleitete Rettungsaktion eine riesige Kugelbombe auf die Innenstadt los, woraufhin unsere Helden eine beherzte Runde Rocket League ohne Konsole spielen. Eine turbulente Actionszene, die zugegebenermaßen wirklich Laune macht und so einfallsreich geriet, dass sie gut als Finale eines Actionstreifens hätte herhalten können.
Doch hier ist (leider) noch lange nicht Feierabend, der Film, der ein Halber ist, läuft immerhin stattliche 141 Minuten. Nachdem halb Rom in Schutt und Asche gelegt wurde, gerät unsere Heldentruppe ins Visier der Agency, deren Nobody-Nachfolger Aimes (Alan Ritchson) unsere Lieblinge fortan für Terroristen hält. Ab hier splitten sich die Helden in mehrere kleine Grüppchen auf und kämpfen, quer über den Erdball verstreut, gegen den allmächtigen Dante, der immer dort, wo unsere Helden auftauchen, bereits zugegen ist und irgendeine fiese Falle parat hält.
Wie ihm das gelingt und wo er eigentlich die ganze Kohle für die vielen Gefolgsleute, Bomben, Autos, etc. nimmt, wird nicht erklärt. Auch nicht, warum der im Vorgängerfilm aus dem Hut gezauberte Toretto-Bruder Jakob (John Cena) plötzlich vom bösen Bösling zum netten Nettmenschen mit witzigen Sprüchen auf den Lippen mutiert ist. Dessen Szenen gehören allerdings zu den Highlights von „Fast & Furious 10“. Immer dann, wenn er und Little Brian ihr eigenes, kleines Roadmovie erleben dürfen, überträgt sich der Spaß auf das Publikum. Sinn ergibt das allerdings zu keiner Zeit.
Die Sache mit dem Sinn ist eines der größten Probleme des Actionkrachers. Es macht zum Beispiel überhaupt keinen Sinn, dass derart viele Figuren in diesen Film hineingequetscht wurden, obwohl kaum jemand von ihnen irgendetwas zur Handlung beizutragen hat. Und so schaut eine renommierte Schauspielerin wie Helen Mirren einmal kurz vorbei, um einfach nur im Film mit dabei zu sein. Noch schlimmer trifft es Brie Larson, die einst einen Oscar gewann und hier noch unsympathischer und ungelenker agiert als im Marvel Universum. Glücklicherweise hat auch sie nur wenige Szenen zu absolvieren.
Doch auch das Kernteam hat nur wenig zu bieten. Ludacris und Tyrese Gibson kabbeln sich wie gewohnt als Comic-Relief-Charaktere durch absolut nervige und erschreckend unlustige Situationen, Sung Kang als aus dem Totenreich zurückgekehrter Han hat eine völlig han-ebüchene Szene verpasst bekommen, in der er einen mit LSD versetzten Muffin verputzt, nur um ein paar lustig-verzerrte Gesichter zu sehen. Was hätte man aus dieser Situation alles machen können; man hätte ihn in dem Zustand zum Beispiel in eine wilde Actionszene verfrachten können. Doch der LSD-Trip dauert nur wenige Sekunden und dient nur für den Gag innerhalb der Szene. Ich bin ja kein Fachmann auf dem Gebiet, aber ich glaube, die Droge wirkt deutlich anders und länger in der Realität.
Ein Lichtblick, neben John Cena, ist das Duo Michelle Rodriguez und Charlize Theron, die sich zwar unglaubwürdig geschrieben zusammenraufen müssen, dafür aber eine sehenswerte Hand-to-Hand-Combat-Szene aufs Parkett legen. Diese wurde von den beiden höchst selbst choreographiert und in Abwesenheit des Regisseurs inszeniert. Vielleicht wäre es eine gute Idee, den Regieposten mal in weibliche Hand zu legen?
Das würde allerdings Meister Proper-Double Vin Diesel wohl kaum schmecken. Der agiert immer im Vordergrund und vollzieht eine unmögliche Heldentat nach der nächsten. Dass er dabei niemals auch nur einen Kratzer davonträgt, versteht sich von selbst. Auch Dialoge führt der Mann nicht mehr, er redet nur noch in Kühlschrankweisheiten der Marke Proll. Und so bekommen wir lyrische Ergüsse wie „Du glaubst, Du kannst mit Deinem Geld alles kaufen, aber man kann die Straße nicht kaufen!“ – Mit dem Mann möchte man nicht Monopoly spielen.
Jason Momoa hingegen überzeugt als Bösewicht mit schon übertriebener Spielfreude. Der tänzelt, lacht und tippelt durch den Film, als hätte er eine Duracell-Batterie im Allerwertesten. Das macht zwar irgendwie Spaß, nimmt der Figur aber auch jegliche Bedrohlichkeit. Dass unsere Helden ein halbes Dutzend Mal die Gelegenheit haben, ihn auszuschalten, dann aber durch ewig langes Zögern letztlich versagen, ist ein Ärgernis, das lediglich stattfindet, um die dünne Geschichte mit einem weiteren Film zu verlängern. Ein komplett unnötiger Schachzug, bei dem man nur hoffen kann, dass das Budget besser investiert wird, denn trotz der verschlungenen Rekordsumme, sehen der Großteil der Effekte wirklich schrecklich unecht aus.
„Fast & Furious 10“ ist buntes, lautes Krawallkino, allerdings vollends ohne Sinn und Verstand. Ich mochte die Reihe damals recht gerne, doch die letzten beiden Filme waren nach meinem Dafürhalten zum Abgewöhnen. Meine Vorfreude auf Teil 11 ist weniger als niedrig, trotz digitalem Paul Walker.
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