Zeit der Zärtlichkeit
Den Namen James L. Brooks kennt mittlerweile jedes Kind, gehört er doch zu den Entwicklern der berühmtesten und gelbsten Familie der Welt: den Simpsons. Doch auf das Konto des Drehbuchautors und Produzenten gehen noch weitere, populäre Werke, wie etwa „Der Rosenkrieg“. Auch als Regisseur war Brooks ein paar Mal tätig. So zum Beispiel bei „Zeit der Zärtlichkeit“ mit Shirley MacLaine, Debra Winger und Jack Nicholson.
Grob übersetzt, lautet der Originaltitel dieser Romanverfilmung aus der Feder Larry McMurtrys („Brokeback Mountain“): Bedingungen der Zärtlichkeit. Das passt zwar besser als der deutsche Titel, klingt aber nicht gut. „Zeit der Zärtlichkeit“ gewann seinerzeit ganze fünf Oscars – darunter den für den besten Film.
Irgendwann in den fünfziger Jahren im Stadtteil River Oaks in Houston, sehen wir die besorgte Aurora Greenway (Shirley MacLaine), nachts nervös ins Zimmer ihres kleinen Babys stürmen, aus Sorge, das Kind würde nicht mehr atmen. Glücklicherweise ist alles gut, wie ihr Mann, den wir hier kurz aus dem Off hören, bereits vermutet. Auch Jahre später, als Emma (Jennifer Josey), ihre Tochter, bereits im Schulkindalter angekommen ist, weckt Aurora die Kleine aus Angst immer wieder und klettert dann in ihr Bett, da die nervöse Mutter sonst nicht schlafen kann. Früh wird sie zur Witwe und als Emma den Kinderschuhen entwächst (jetzt dargestellt von Debra Winger), wächst ebenso die emotionale Distanz zwischen Mutter und Tochter, die einst so eine innige Beziehung hatten.
Als junge Frau entschließt sich Emma, den Dozenten Flap Horton (Jeff Daniels) zu ehelichen, womit der Keil endgültig zwischen Mutter und Tochter getrieben ist. Aurora hasst ihren Schwiegersohn und lässt keine Gelegenheit aus, dies auch zu zeigen. Derweil scharen sich die Männer um die Witwe und machen ihr den Hof (u.a. Danny DeVito), doch Aurora lässt alle Anwärter abblitzen und gilt als unnahbar.
Während Emma mit ihrem Mann und dem ersten, von später drei Kindern, nach Iowa zieht, wo Flap eine Festanstellung als Lehrer erhält, lernt Aurora dann doch noch einen potentiellen Liebhaber kennen, den sie langsam in ihr Herz lässt. Wobei „langsam“ hier eine neue Dimension erhält. Ihr Nachbar Garrett Breedlove (Jack Nicholson) ist es, der ihr eines Tages eine Einladung zum Essen ausspricht. Doch der Astronaut ist kein Kind von Traurigkeit und verkackt das Date, noch bevor es stattfinden kann und so dauert es satte fünfzehn Jahre (!), bis Aurora auf sein Angebot zurückkommt.
Doch während die sonst so unnahbare Witwe so langsam ihr Glück zu finden scheint, hängt in Iowa der Haussegen schief. Flap ist seinen familiären Aufgaben nicht gewachsen und springt durch fremde Betten und auch Emma bandelt mit dem schüchternen, aber verheirateten, Bankangestellten Sam Burns (John Lithgow) nebenbei an. Als sie ihren Göttergatten schließlich beim Flirten mit einer Kollegin erwischt, packt Emma ihre sieben Sachen und zieht, gemeinsam mit den Kindern, zurück zu ihrer Mutter. Alles scheint nun in Ordnung zu sein, doch dann kündigt sich ein schwerer Schicksalsschlag an.
Neunzig Minuten lang beobachtet man das Leben von Mutter und Tochter auf dem Bildschirm, welches großartig gespielt, aber merkwürdig episodenhaft daherkommt. Ohne genauere Angaben von Jahren, verlaufen die Leben, die wir drei Jahrzehnte lang beobachten, mit ihren Höhen und Tiefen, im Eiltempo. Dabei haben beide Hauptfiguren (die männlichen Akteure geschehen allesamt nur am Rande) Eigenarten, die es teilweise anstrengend machen, ihnen zu folgen. Ich fragte mich immer wieder, was mir der Film sagen wollte. Doch dann bekam ich als Zuschauer den Schlag mitten ins Gesicht. Eine emotionale Achterbahnfahrt, die sich in den letzten vierzig Minuten entlädt, die mich alles andere als kalt ließ und alles Vorangegangene als wichtig erscheinen lässt – von der ersten Szene an, in der Aurora panisch ihr Baby weckt. Mir wurde klar, warum der Film seinen Oscarsegen bekam.
Ein sehenswerter Film.
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