Lübeck – 25 Quadratmeter Erkenntnisgewinn
250 bis 300 Besucher. In vier Monaten. In einem Raum ohne Laufkundschaft, ohne Kaffeeduft. Kein Eintritt. Kein Catering. Kein Schild vor der Tür. Ohne bekannte Namen. Ohne Budget. Nur ich – und die Idee, dass da draußen vielleicht jemand steht, der sich für das interessiert, was ich mache.
Ein unbekannter Künstler in einer Stadt, in der man lieber auf Bekanntes baut.
Spoiler: Da stand wirklich jemand. Sogar mehrere.
Allein – und doch nicht allein
Und ja, ich hab das allein gemacht. Nein, nicht ganz allein. Ich hatte Hilfe. Von Menschen. Nicht von Institutionen. Denn das mit der Wirtschaftsförderung – war so eine Sache.
Klingt erstmal super: „Wir fördern neue Projekte in der Innenstadt. Mit einem Übergangsraum.“
Toll! Danke! (Und ich will wirklich nicht undankbar sein) Aber Raum ist Luft. Und Luft ist schnell leer. Was ich gebraucht hätte: Hilfe. Kooperation. Austausch. Und mal ’nen LinkedIn-Post.
Nur einen. Klick. Teilen. Fertig.
Und so wurde aus der angekündigten Partnerschaft ein Pappaufsteller ohne Standfuß. Ich war nicht das Projekt der Wirtschaftsförderung. Ich war die Ausrede, ein Projekt zu haben.
Ich hab das Projekt mit der Wirtschaftsförderung gemacht? Nein. Ich hab es trotz der Wirtschaftsförderung gemacht.
Trotzdem stolz
Und dennoch: Ich bin stolz. Weil ich es trotzdem gemacht habe. Weil Menschen kamen. Immer wieder. Weil ich gemerkt habe, dass man etwas bewegen kann – ohne Bewegung im Rücken.
Ich habe gelernt. Über Lübeck. Über mich. Über Erwartung und Enttäuschung. Über Kunst, die keine Quote braucht. Und über Türen, die man sich manchmal eben selbst auftritt.
Erkenntnisse statt Applaus
Und, dass Förderung in Lübeck oft nur heißt: „Mach dein Ding. Aber nerv uns nicht.“
Dass Projekte auf Webseiten manchmal besser aussehen als im echten Leben.
Dass Sichtbarkeit keine Haltung ersetzt. Und Haltung keine Zahlen braucht.
Ich habe gelernt, wie laut Schweigen sein kann. Wie höflich man abwinken kann. Wie einsam man wird, wenn man unbequem ist – und unbequem bleibt.
Aber auch: Wie viel Kraft in der eigenen Überzeugung steckt. Wie Kunst Gespräche eröffnet, wo PR längst aufgelegt hat.
Es geht erst los
Ist jetzt also Schluss? Quatsch. Jetzt geht’s erst los.
Ich weiß jetzt, was möglich ist. Trotz allem. Oder vielleicht: wegen allem.
Und Lübeck? Darf sich gern überlegen, ob sie beim nächsten Mal wieder nur Raum gibt. Oder vielleicht auch Raum lässt. Für Neues. Für Veränderung. Für echten Austausch.
Denn Bilanz heißt auch: rechnen mit dem, was nicht passiert ist. Und davon gab’s in Lübeck einiges.
Über den Autor
Alexander Lachmann, Jahrgang 1982 ist kreativer Unternehmensberater – mit seinem eigentlich Titel Creative Director Text und Konzept kann ja kein normaler Mensch was anfangen. Alexander Lachmann erarbeitet Werbekampagnen. Er schreibt sie. Vom großen Dachgedanken bis zum kleinen Instagram-Post. Filme, Plakate, Flyer. Und jetzt auch diese Kolumne. Auf seiner Website www.iwrotethisshit.com gibt es einen Auszug seiner bisherigen Arbeiten.
Ende 2024 gründete er das Kunstprojekt www.einwortsagtmehralstausendbilder.de. Bereits Ende Januar 2025 konnte er seine erste eigene Ausstellung „Hashtagreality“ realisieren, die ab 15. Mai in Braunschweig beim Paritätischen Dienst hängt. Noch bis 30. Juni ist er im Übergangsraum heimisch – und danach auf der Suche nach einem neuen kreativen Ort.
Photo Credits: Alexander Lachmann