Lieber lost in Lübeck – als nirgendwo ganz allein.
Anderssein ist kein Konzept. Keine Attitüde, kein Instagram-Zitat.
Es ist nicht: „Ich bin anders, also bin ich besonders.“
Es ist ein Stillstand im Lärm, ein Außen vor im Drinnen. Es ist ein Zustand.
Ich war nie der Nerd, der sich in seinem Zimmer einschließt und daddelt. Ich war auch nicht der Typ, der sich etwas auf den Penis malt und im erigierten Zustand auf ein kreatives Mandala hofft. Ich war einfach da. Irgendwie überall. Und trotzdem nirgendwo. Omnipräsent im Nirvana.
Und es ist ja nicht so, als hätte ich nicht teilgenommen am Leben. Laut war ich. Sichtbar. Mit Glitzer in der Jackentasche und Verzweiflung im Blick. Ich war auf den Partys, ich war auf den Bühnen, ich war auf dem Heimweg – und doch irgendwie allein. Nicht, weil man dachte, ich sei uncool. Sondern weil man mich einfach nicht ansprach. Weil man dachte, ich sei schon versorgt – mit Freunden, mit Selbstbewusstsein, mit mir selbst. War ich nicht.
Ja, ich war damals auch nicht fähig loszulassen. Ungehemmt zu sein. Es war Show. Alles war Show. Und ich war gut darin. Die Pose hat funktioniert. Nur leider auch für mich. Ich hab sie geglaubt.
Heute ist es anders. Heute bin ich noch immer laut, ja. Aber nicht mehr als Schutz. Nicht mehr aus Trotz. Sondern weil ich etwas zu sagen habe. Weil ich etwas zu geben habe. Kunst und Werbung zum Beispiel. Ideen. Gedanken. Worte. Dinge, die nicht jedem gefallen müssen, aber manchen was bedeuten könnten. Ich möchte verändern. Gestalten. Etwas sagen.
Und was höre ich? Schweigen.
Oder Flüstern.
Denn was geblieben ist, ist die Vermutung, dass ich das schon alles mache. Dass ich keine Hilfe benötige. „Der kann das!“ Aber nein: Ich brauche euch.
Nicht zum Anfeuern. Nicht zum Händchenhalten. Nicht einmal für mein Ego. Ich brauche euch zum Dasein. Zuhören. Mitdenken. Gegenreden. Mitreden. Manchmal sogar Mitmachen.
Denn Alleinsein ist keine Superkraft. Es ist ein Zustand – temporär erträglich, auf Dauer toxisch.
Also ja: Ich bin anders. Aber ich bin da. Und ich wäre gern nicht der Einzige, der das merkt.
Über den Autor
Alexander Lachmann, Jahrgang 1982 ist kreativer Unternehmensberater – mit seinem eigentlich Titel Creative Director Text und Konzept kann ja kein normaler Mensch was anfangen. Alexander Lachmann erarbeitet Werbekampagnen. Er schreibt sie. Vom großen Dachgedanken bis zum kleinen Instagram-Post. Filme, Plakate, Flyer. Und jetzt auch diese Kolumne. Auf seiner Website www.iwrotethisshit.com gibt es einen Auszug seiner bisherigen Arbeiten.
Ende 2024 gründete er das Kunstprojekt www.einwortsagtmehralstausendbilder.de. Bereits Ende Januar 2025 konnte er seine erste eigene Ausstellung „Hashtagreality“ realisieren, die ab 15. Mai in Braunschweig beim Paritätischen Dienst hängt. Noch bis 30. Juni ist er im Übergangsraum heimisch – und danach auf der Suche nach einem neuen kreativen Ort.
Photo Credits: Alexander Lachmann