Alexander Lachmann

Mut – zwischen Marzipan und Mittelmaß.

Start-up Accelerator. Klingt nach Science-Fiction. Oder nach WLAN-Passwort.

In Wirklichkeit: eine Institution, die jungen Unternehmen das Laufen beibringen will. Schneller, höher, weiter – Silicon Valley auf halber Strecke zwischen Marzipan und Mittelmaß. Ich bin eingeladen, um über Mut und Marken zu sprechen. Zwei Wörter, die selten gemeinsam auftreten. Meistens trennt sie ein Excel-Sheet.

Ich beginne mit einer Geschichte. Kein Produkt, kein Pitch. Einfach ein Text – schließlich bin ich ja Kreativer. Ein Revoluzzer sonders gleichen. Da kann man froh sein, dass ich nicht auf nem weißen Gaul in den Saal getrabt bin. Na ja, Saal. Es war ein neumodischer Raum. Egal. Ich lese vor, als hätte ich nichts zu verlieren. Hatte ich auch nicht. Die Gesichter im Raum? Mischung aus Verwirrung und passivem Entsetzen, was in diesen Gefilden zumindest „Freude“ gleichkommt. Und dennoch bleiben Fragezeichen in den Gesichtern. War ich natürlich drauf vorbereitet.

Gewitzt beende ich mit: „Wollte ich nur mal ausprobieren. Und mit jemandem teilen.“
Jetzt hab ich sie. Ein oder zwei Lächeln konnte ich sehen. Fast schon hören. Ich rede weiter über Marken. Darüber, dass Haltung nicht mit Hashtags beginnt. Dass Mut nicht skaliert. Dass die besten Marken wie die besten Menschen sind: ein bisschen kaputt, aber echt. Und dass sie alle brutal einfach sind. Ein Satz beschreibt die Marke. Und meiner? Passt da ganz gut rein. I wrote this shit. Da schließt sich der Kreis zur einleitenden Geschichte. Cool.

Was danach passiert, ist Lübeck-untypisch. Keine Flucht in Richtung Tür. Kein höflich gelangweilter Smalltalk. Stattdessen: Reaktionen. Augen, die nicht mehr auf Bildschirme, sondern in mein Gesicht schauen. Sätze wie: „Ich musste mein Smartphone weglegen. Und zuhören.“

Was für eine Liebeserklärung. An den Moment. An die Möglichkeit, dass Kunst, Kapital und Wahnsinn sich manchmal kurz in den Arm nehmen dürfen – bevor sie wieder getrennte Wege gehen.
Lübeck, alter Grantler, heute warst du weich. Und ich war nicht vorbereitet.
Vielleicht war das der Pitch meines Lebens. Und keiner hat es gemerkt. Perfekt.

Über den Autor

Alexander Lachmann, Jahrgang 1982 ist kreativer Unternehmensberater – mit seinem eigentlich Titel Creative Director Text und Konzept kann ja kein normaler Mensch was anfangen. Alexander Lachmann erarbeitet Werbekampagnen. Er schreibt sie. Vom großen Dachgedanken bis zum kleinen Instagram-Post. Filme, Plakate, Flyer. Und jetzt auch diese Kolumne. Auf seiner Website www.iwrotethisshit.com gibt es einen Auszug seiner bisherigen Arbeiten.

Ende 2024 gründete er das Kunstprojekt www.einwortsagtmehralstausendbilder.de. Bereits Ende Januar 2025 konnte er seine erste eigene Ausstellung „Hashtagreality“ realisieren, die noch bis Ende April im Übergangsraum am Rathaus (Breite Straße 81) nach Voranmeldung besucht werden kann. Noch bis zum 30. Juni ist er im Übergangsraum heimisch – und danach auf der Suche nach einem neuen kreativen Ort.

Photo Credits: Alexander Lachmann

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