Lübeck – wir bleiben. Braunschweig, wir kommen. Oder auch nicht.
Es ist soweit. Meine Ausstellung #reality zieht weiter, wie ein halbgeöffnetes Fenster, durch das man sich fragt, was einem da eigentlich entgegenweht. Braunschweig. Keine Weltstadt, aber immerhin eine Stadt, die sich nicht ständig in der Bedeutungslosigkeit suhlt – oder zumindest nicht öffentlich. Die Menschen hier haben noch Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen, was Kunst eigentlich noch soll. Vielleicht auch, warum sie eigentlich nie da ist, wo sie sein könnte. Oder zumindest glauben sie das.
Und so fahre ich also dorthin, in diese Stadt, die so charmant wie ein verstaubtes Bücherregal und so hip wie ein verlassenes Fabrikgebäude ist. Warum? Warum eigentlich nicht? Ich weiß, was ihr jetzt denkt: „Kunst braucht die großen Städte, die Märkte, die Aufmerksamkeit!“ Aber nein. Ich hab’s satt, mich in die Hysterie von Berlin zu stürzen, wo jeder nur noch nach dem nächsten Instagram-Post giert und der Applaus so flach wie der Algorithmus ist. Nein, Braunschweig hat vielleicht mehr zu bieten, als die Instagram-Influencer auf der Suche nach ihrem nächsten Selfie mit ein paar Regenschirmen in einer Galerie.
Ich bin mir nicht sicher, was ich mir erhoffe. Vielleicht den Applaus, der mir in Lübeck entglitten ist, als wäre er das letzte Zugticket in einen Zug, der längst abgefahren ist. Oder vielleicht ist es der Wunsch, einfach nur diesen Raum zu füllen, diese weißen Wände zu einer Geschichte zu machen, die man nicht sofort vergessen kann. Wobei, wer redet hier schon von Applaus? Wer redet hier von Besuchern? Vielleicht sind es die kleinen, stillen Momente, in denen jemand kurz innehält, eine Sekunde länger auf ein Bild schaut, als man es in einer Großstadt erwarten würde. Eine Sekunde, in der Kunst plötzlich etwas zu sagen hat.
Also, was kommt als Nächstes? Vielleicht ein paar mehr Besucher. Vielleicht ein paar weniger. Aber vielleicht, nur vielleicht, wird es genau hier der Moment, in dem diese ganze Nummer mal wirklich zündet. Aber halt: Das war ja auch die Hoffnung in der letzten Stadt. Und der Applaus kam nicht. Na gut, Braunschweig, zeig uns, was du kannst – auch wenn ich da längst auf den nächsten Zug aufspringe. Aber, Lübeck: Freu dich nicht zu früh. Dir bleibe ich erhalten. Ob du es willst oder nicht. Oder vielleicht auch gar nicht bemerkst.
Über den Autor
Alexander Lachmann, Jahrgang 1982 ist kreativer Unternehmensberater – mit seinem eigentlich Titel Creative Director Text und Konzept kann ja kein normaler Mensch was anfangen. Alexander Lachmann erarbeitet Werbekampagnen. Er schreibt sie. Vom großen Dachgedanken bis zum kleinen Instagram-Post. Filme, Plakate, Flyer. Und jetzt auch diese Kolumne. Auf seiner Website www.iwrotethisshit.com gibt es einen Auszug seiner bisherigen Arbeiten.
Ende 2024 gründete er das Kunstprojekt www.einwortsagtmehralstausendbilder.de. Bereits Ende Januar 2025 konnte er seine erste eigene Ausstellung „Hashtagreality“ realisieren, die noch bis Ende April im Übergangsraum am Rathaus (Breite Straße 81) nach Voranmeldung besucht werden kann. Noch bis zum 30. Juni ist er im Übergangsraum heimisch – und danach auf der Suche nach einem neuen kreativen Ort.
Photo Credits: Alexander Lachmann