Lübeck – Nicht alle Wege führen nach Ruhm.
Startpunkt Holstentor. Natürlich. Muss ja. Für das Protokoll, für den Algorithmus, für Mama. Foto. Lächeln. Weiter. Die Giebel schauen streng – sie haben schon andere kommen und wieder gehen sehen. Lübeck ist nicht beeindruckt.
Wir ziehen los, rein in die Gassen. So eng, dass man sein Ego besser draußen lässt. Kopfsteinpflaster, als hätte die Stadt entschieden, dass zu schnelles Gehen unhöflich ist. Man stolpert, man entschleunigt, man ergibt sich.
Rechts eine Galerie. Ob offen oder zu, weiß man nie. Der Besitzer schaut durch die Scheibe, rührt dabei demonstrativ nicht im Kaffee. Kunst? Vielleicht. Vielleicht auch nur ein Versuch, dem Tag Struktur zu geben. Wir nicken. Er ignoriert.
Weiter. Ohne Navi, dafür mit viel Demut. Alles wirkt wie Kulisse, aber niemand spielt Theater. Man wartet hier nicht auf das Publikum. Man wartet einfach.
Dann: der neue Hotspot. Groß aufgezogen. Bürgermeisterbesuch. Sektempfang. Presse. Die Zukunft! Die Lösung! Die Vision! Man klopfte sich auf die Schultern, bevor überhaupt jemand einzog. Der Vermieter durfte nichts sagen. Sagte auch nichts.
Ein Laden voller Hoffnung und Antrieb sollte es werden. Am Tag der Eröffnung: Hütte voll. Eine Woche später. Die ersten Hoffnungsträger ziehen wieder aus. Kein Flyerladen sollte es werden. Und doch thront sie da – unübersehbar: Die Flyerwand. Ein Mahnmal ausgedruckter Hoffnung.
Wir biegen ab. Irgendeine Gasse. Sie riecht nach Moder und Möglichkeit. Und dann: Müßiggang. Kein Laden. Kein Plan. Nur das Gefühl, dass hier nichts muss.
Lübeck, diese Stadt, ist kein Ziel. Sie ist ein Zustand. Wer hier etwas bewegen will, sollte es lieber liegen lassen. Vielleicht lebt es dann länger.
Über den Autor
Alexander Lachmann, Jahrgang 1982 ist kreativer Unternehmensberater – mit seinem eigentlich Titel Creative Director Text und Konzept kann ja kein normaler Mensch was anfangen. Alexander Lachmann erarbeitet Werbekampagnen. Er schreibt sie. Vom großen Dachgedanken bis zum kleinen Instagram-Post. Filme, Plakate, Flyer. Und jetzt auch diese Kolumne. Auf seiner Website www.iwrotethisshit.com gibt es einen Auszug seiner bisherigen Arbeiten.
Ende 2024 gründete er das Kunstprojekt www.einwortsagtmehralstausendbilder.de. Bereits Ende Januar 2025 konnte er seine erste eigene Ausstellung „Hashtagreality“ realisieren, die noch bis Ende April im Übergangsraum am Rathaus (Breite Straße 81) nach Voranmeldung besucht werden kann. Noch bis zum 30. Juni ist er im Übergangsraum heimisch – und danach auf der Suche nach einem neuen kreativen Ort.
Photo Credits: Alexander Lachmann