Lübeck: Hier könnte eine Brücke sein.
Lübeck – und alle denken: eine Insel. Ist ja auch eine. Aber eben nicht nur. Lübeck ist ein Flickenteppich aus kleinen, autonomen Inselstaaten, die zufällig dasselbe Nummernschild haben. Ein Archipel. Kleine kreative Enklaven, verstreut wie Brotkrumen auf einem Holztisch in einer Altbauwohnung mit unzuverlässiger Heizung. Man könnte meinen, es gäbe Brücken zwischen ihnen, aber die meisten sind wackelige Planken, einige nur Gedankenkonstrukte, und manche – einfach nie fertig gebaut. Jede Insel für sich. Ohne wirkliche Verbindung. Ja, man winkt sich zu. Manchmal brüllt man auch rüber. Aber rübergehen? Puh. Schwierig. Man bleibt lieber, wo man ist. In seinem eigenen sicheren Hafen.
Natürlich gibt es einen harten Kern. Der ist vernetzt, kennt sich, schiebt sich gegenseitig Stühle hin. Aber das ist nicht die kreative Szene. Das ist die politische Schaltzentrale, wo es weniger um Ideen geht als um Punkte. Sternchen sammeln für den nächsten Aufstieg. Das nächste Projekt ist immer das nächste Projekt, während die alten irgendwo im Nirgendwo versickern. Neu glänzt, alt wird ignoriert. Wer fragt schon nach den Langzeitauswirkungen, wenn der Antrag für die nächste Förderung schon auf dem Tisch liegt?
Und dann? Dann schwimmt man halt mit. Strengt sich an, glaubt, dass es irgendwo ein Ufer gibt. Aber Lübeck ist nicht gemacht für sanfte Landungen. Die Strömung zieht, aber wohin? Keiner weiß es genau. Vielleicht landet man an. Vielleicht nicht. Vielleicht winkt man sich noch zu. Vielleicht nicht mal das.
Lübeck ist eine Insel mit allem. Und Lübeck ist eine Insel mit nichts. Alle für einen. Jeder für sich. Und irgendwo dazwischen, auf irgendeiner Sandbank, sitzt einer und denkt: Na ja. Ist ja auch irgendwie schön hier.
Über den Autor
Alexander Lachmann, Jahrgang 1982 ist kreativer Unternehmensberater – mit seinem eigentlich Titel Creative Director Text und Konzept kann ja kein normaler Mensch was anfangen. Alexander Lachmann erarbeitet Werbekampagnen. Er schreibt sie. Vom großen Dachgedanken bis zum kleinen Instagram-Post. Filme, Plakate, Flyer. Und jetzt auch diese Kolumne. Auf seiner Website www.iwrotethisshit.com gibt es einen Auszug seiner bisherigen Arbeiten.
Ende 2024 gründete er das Kunstprojekt www.einwortsagtmehralstausendbilder.de. Bereits Ende Januar 2025 konnte er seine erste eigene Ausstellung „Hashtagreality“ realisieren, die noch bis Ende April im Übergangsraum am Rathaus (Breite Straße 81) nach Voranmeldung besucht werden kann. Noch bis zum 30. Juni ist er im Übergangsraum heimisch – und danach auf der Suche nach einem neuen kreativen Ort.
Photo Credits: Alexander Lachmann