23 – Nichts ist so wie es scheint
Ende der neunziger Jahre, als die Ära Katja Riemann endlich vorbei war und Til Schweiger noch nicht selbstverliebt den Sepiafilter für sich entdeckt hatte, brachte die deutsche Filmlandschaft ein paar interessante und sogar innovative Werke auf die Kinoleinwände. „Nach fünf im Urwald“-Regisseur Hans-Christian Schmid lieferte mit seinem, auf wahren Begebenheiten beruhenden, Hacker-Drama „23 – Nichts ist so wie es scheint“ ein solches Machwerk ab. Der mit dem jungen August Diehl perfekt besetzte Film um den legendären KGB-Hack, bei dem sich alles für den Hauptprotagonisten um die zur Verschwörungstheorie erhobenen Primzahl 23 dreht, ist mein heutiger Filmtipp an Euch.
Bereits im Jahr 1985, im Alter von 19 Jahren, rebelliert der aus gutem Hause stammende Karl Koch (August Diehl) gegen das System. So nimmt er an Demonstrationen, wie die gegen das Kernkraftwerk Brokdorf, regelmäßig teil. Sehr zum Leidwesen seines Vaters (Hanns Zischler), einem konservativen Zeitungsredakteur. Als dieser an einem Hirntumor verstirbt, hinterlässt er seinem nun elternlosen Sohn ein Erbe von 50.000 DM. Diese investiert Karl in eine Mietwohnung für regelmäßig ausufernde Partys.
In frühen Jugendtagen, als sein Vater ihm den Roman Illuminatus! zur Lektüre reichte, verinnerlichte der Junge Karl die darin erfundenen Verschwörungstheorien, die allesamt um die Zahl 23 kreisen. Seine zweite Faszination gilt später den gerade aufkeimenden Heimcomputern, mit denen er zu programmieren beginnt und sich dem Chaos Computer Club anschließt, einer Gruppe, die Sicherheitslücken in Programmen aufdeckt und an die jeweiligen Unternehmen weiterleitet. Auf einer Computertagung, auf der auch der Autor seines Lieblingsromans auftritt, lernt Karl den ebenfalls programmierbegeisterten David (Fabian Busch) kennen. Beide verstehen sich auf Anhieb bestens und es gelingt ihnen, dass damals vorhandene Datennetz Datex-P mit Hilfe eines Commodore-Heimcomputers auszutricksen.
Dadurch öffnen sich ihnen alle Türen in der noch frischen Hackerszene. Leider entscheiden sie sich für die Falsche, als sie an die schmierigen Möchtegern-Gangster Pepe (Dieter Landuris) und Lupo (Jan-Gregor Kremp) geraten. Diese versorgen die beiden Hacker mit Koks und bringen sie mit dem KGB in Kontakt. Fortan versorgt das Quartett die Russen mit geklauten Daten, um an das große Geld zu kommen, welches wiederum in Partys und noch mehr Drogen investiert wird. Doch Karl gerät durch den Druck und die entstehende Abhängigkeit immer mehr in seine eigene Welt aus Wahnvorstellungen und Verschwörungstheorien. Als er und David sich in die Datenbank des Kernkraftwerkes Jülich hineinhacken, geraten sie ins Visier der hiesigen Ermittler. Karl plagen zudem Gewissensbisse, als das Unglück von Tschernobyl ausbricht und er nicht ausschließen kann, dass seine Hackertätigkeit eine Mitschuld daran trägt…
„23 – Nichts ist so wie es scheint“ war der beeindruckende Startschuss für die Schauspielkarriere des damals 22 Jahre jungen August Diehl, der es schafft, seine allesamt gut agierenden Kollegen mit Leichtigkeit an die Wand zu spielen. Er wirkte Ende der Neunziger wie eine Mischung aus River Phoenix und Stephen Geoffreys und arbeitete sich bereits mit seinem Schauspieldebut ganz nach oben. Mittlerweile kann er in seiner Vita auf Arbeiten mit Regisseuren wie Quentin Tarantino („Inglorious Basterds“) und Terence Malick („Ein verborgenes Leben“) zurückblicken. Wie bereits erwähnt, überzeugt aber auch der Rest des Casts, der durchweg erfreulicherweise nicht aus den üblichen Verdächtigen der deutschen Filmlandschaft besteht.
Auch wenn es sich hier mal wieder um die oft verfilmte Geschichte vom schnellen Aufstieg und darauf langsam voranschreitenden Fall handelt, gelang es Regisseur Hans-Christian Schmid, die dramatische Geschichte von Karl Koch in schnittige 98 Minuten zu verpacken, wodurch zu keiner Zeit Leerlauf entsteht. Gemeinsam mit seinem, wie erwähnt, talentierten Cast erleben wir eine Zeitreise zurück in eine fast unwirkliche Welt der Computertechnologie, die irrsinnig schnell an Fortschritt und Bedeutung in den Folgejahren dazugewann. Der Film wirkt aber, entgegen der verwendeten Hackertechnik, noch immer frisch wie am ersten Tag und ist absolut sehenswert.
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